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Der Geist von Shell wird sich der Herausforderung stellen

CEO Ben van Beurden über ein Urteil des Bezirksgerichts in Den Haag, wonach Shell seine CO₂-Emissionen noch schneller als geplant reduzieren muss.

Von Ben van Beurden

am 08. Juni 2021

Sollte ein Gericht ein Energieunternehmen herausgreifen, um seine CO2-Emissionen zu reduzieren? Am Mittwoch, dem 26. Mai, entschied das Bezirksgericht in Den Haag, dass Shell bis 2030 seine Netto-CO2-Emissionen um 45 % gegenüber dem Niveau von 2019 reduzieren muss. Und das nicht nur für das Geschäft in den Niederlanden, sondern weltweit.

Meine erste Reaktion war Überraschung. Schließlich hat Shell in unserer Branche das Tempo vorgegeben, indem wir die Verantwortung für die Reduzierung all unserer CO2-Emissionen übernommen haben: nicht nur die, die wir selbst produzieren, sondern auch diejenigen, die entstehen, wenn unsere Kunden die von uns verkauften Energieprodukte verwenden, um beispielsweise ihre Autos zu fahren, ihre Unternehmen mit Strom zu versorgen und ihre Häuser zu heizen. Über 90 % der Emissionen, für die wir verantwortlich sind, stammen aus der Verwendung der von uns verkauften Produkte.

Ich habe auch das Urteil und seine Auswirkungen in Frage gestellt. Wir prüfen das Urteil des Gerichts und die damit verknüpften Herausforderungen sorgfältig, und wir erwarten, dass wir Berufung einlegen. Etwa zwei Wochen später bin ich immer noch enttäuscht darüber, dass Shell durch ein Urteil herausgehoben wird, das meiner Meinung nach nicht zur Verringerung der globalen CO2-Emissionen beiträgt.

Aber zusammen mit meinen Kollegen und Kolleginnen spüre ich auch noch etwas anderes: die Entschlossenheit, uns der Herausforderung zu stellen.

Wenn wir über dieses Gerichtsverfahren hinausblicken, ist es klar, dass wir alle das gleiche Ziel haben – Milieudefensie (der niederländische Flügel von Friends of the Earth), der den Fall vor Gericht gebracht hat, Shell und alle anderen, denen die Zukunft unseres Planeten am Herzen liegt. Wir alle wissen, dass wir den Klimawandel dringend bekämpfen und das Ziel des Pariser Abkommens, dass die Länder die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzen, erreichen müssen. Das Gerichtsurteil hat nichts an der Tatsache geändert, dass Shell entschlossener ist denn je, seinen Beitrag zu leisten und in dieser globalen Herausforderung eine führende Rolle zu übernehmen.

Das Gericht hat erklärt, dass seine Entscheidung sofort gilt und nicht bis zu einer Berufung ausgesetzt werden sollte. Für Shell bedeutet dieses Urteil keine Änderung, sondern eine Beschleunigung unserer Strategie

. Wir haben ein klares Ziel, bis 2050 ein Unternehmen mit Netto-Null-Emissionen zu werden, im Einklang mit den Fortschritten der Gesellschaft bei der Erreichung des Ziels Pariser Abkommens. Wir haben auf dem Weg zu Netto-Null strenge, kurzfristige Reduktionsziele festgelegt.

Aber jetzt werden wir nach Wegen suchen, die Emissionen noch weiter zu reduzieren auf eine Weise, die zielgerichtet und rentabel bleibt. Das wird wahrscheinlich einige mutige, aber maßvolle Schritte in den kommenden Jahren bedeuten.

Im April dieses Jahres haben wir unsere detaillierte Energiewendestrategie 

veröffentlicht. Und im Mai haben wir als erstes Energieunternehmen unsere Energiewendestrategie auf unserer Hauptversammlung den Aktionären zur Abstimmung vorgelegt. Sie erhielt 89 % Zustimmung. Wir werden unseren Aktionären die Möglichkeit geben, jedes Jahr über unsere Fortschritte abzustimmen. Das Gericht hat dies nicht berücksichtigt, da die Anhörung, die zu dem Urteil geführt hat, einige Monate vor der Veröffentlichung dieser Strategie stattfand und natürlich, bevor Großinvestoren ihre Unterstützung auf der Hauptversammlung demonstrierten.

Unsere Strategie zeigt, wie wir die Milliarden Dollar, die wir in den letzten Jahren bereits in CO2-arme Energie investiert haben, ausbauen werden, einschließlich der Bereitstellung von Ladestationen für Elektrofahrzeuge, Wasserstoff, Strom aus Wind- und Solarenergie und Biokraftstoffen. Wir glauben, dass unsere absoluten Gesamt-CO2-Emissionen gegenüber dem Niveau von 2018 absinken werden und dass unsere Ölproduktion 2019 ihren Höhepunkt erreicht hat.

Dennoch erwarten wir, dass wir noch für geraume Zeit Energie in Form von Öl- und Gasprodukten liefern werden, um sowohl die Nachfrage der Kunden zu decken als auch ein finanzstarkes Unternehmen zu bleiben. Wir brauchen diese Finanzkraft, um weiterhin Investitionen für Shell zu gewinnen. So können wir die Energie liefern, die die Welt braucht, in kohlendioxidärmere Energie investieren und die Lebensgrundlagen in Gesellschaften, in denen wir tätig sind, sowie in die unserer Kunden, Mitarbeiter und Auftragnehmer unterstützen.

Wir haben also einen Weg, um ein Unternehmen mit Netto-Null-Emissionen zu werden, eine detaillierte Strategie, um dorthin zu gelangen, und Maßnahmen, die zeigen, dass wir auf dem Weg sind. Aber wir brauchen noch etwas, jetzt mehr denn je, wenn wir unsere Strategie beschleunigen wollen. Die Energiewende ist eine viel zu große Herausforderung für ein einzelnes Unternehmen. Kein einzelnes Land oder auch nur ein einzelner Kontinent könnte dies bewältigen. Wir müssen zusammenarbeiten, mit der Gesellschaft, den Regierungen und unseren Kunden, um eine echte, sinnvolle Veränderung des weltweiten Energiesystems zu erreichen. Und diese Veränderung muss die Nachfrage nach CO2-basierter Energie und nicht nur ihre Versorgung berücksichtigen.

Um ein vielleicht extremes Szenario zu skizzieren, stellen Sie sich vor, Shell habe beschlossen, den Verkauf von Benzin und Diesel heute einzustellen. Dies würde sicherlich die CO2-Emissionen von Shell senken. Aber es würde der Welt kein bisschen helfen. Die Nachfrage nach Kraftstoff würde sich nicht ändern. Die Menschen würden ihre Autos und Lieferwagen an anderen Tankstellen auffüllen.

Die Gesellschaft muss dringend Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen. Aber ein Gericht, das ein einzelnes Energieunternehmen anweist, seine Emissionen – und die Emissionen seiner Kunden – zu reduzieren, ist nicht die Antwort. Ich glaube, als Shell sollten wir mit unseren Kunden und ihren Sektoren zusammenarbeiten, um ihnen zu helfen, ihre eigenen Wege Netto-Null-Emissionen zu finden. Dies wird dazu beitragen, die Nachfrage nach neuen CO2-armen Produkten zu steigern. Damit Unternehmen erfolgreich investieren können, brauchen sie auch mutige, klare und konsistente staatliche Richtlinien und Vorschriften. Eine engere Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Unternehmen und Kunden wird es uns und anderen ermöglichen, auf die schnellste Art und Weise ein CO2-armes Energiegeschäft aufzubauen.

Dennoch hat uns ein Gericht angewiesen, noch schneller voranzuschreiten. Shell ist ein großartiges Unternehmen mit einer langen Geschichte der Bewältigung schwierigster Herausforderungen. Wir mögen mit dieser Anordnung nicht einverstanden sein, aber wir werden weiterhin die führende Rolle einnehmen, die wir bei der Entwicklung eines treibhausgasarmen Energiesystems spielen müssen. Das ist eine weitere Herausforderung, die wir meistern werden.

(Hinweis: Dieser Artikel wurde ursprünglich von Ben van Beurden auf LinkedIn

 in englischer Sprache veröffentlicht.)