
Shells Energiesicherheits-Szenarien 2025: Vier Trends für die Energiezukunft von Europas Industrie

Shell Energy
September 2025
Im Juli 2031 erreicht eine Raumsonde von der Erde den Jupiter. Nach acht Jahren stiller Reise wird sie drei der größten Monde des Gasriesen nach Anzeichen von Leben untersuchen.1 Für die Mission mussten Wissenschaftler bereits ein Jahrzehnt im Voraus planen, verschiedene Szenarien durchspielen und sich auf Herausforderungen vorbereiten.
In ähnlicher Weise stehen Entscheidungsträger in der europäischen Industrie – von Produktionsbetrieben bis zu Rechenzentren – vor der komplexen Aufgabe, die Energiezukunft ihrer Unternehmen zu gestalten. Sie sollen die Leistung steigern (Effizienz erhöhen, Kosten senken), Lieferketten robuster machen und gleichzeitig ihre Unternehmen dekarbonisieren.
All das geschieht vor dem Hintergrund eines steigenden Energiebedarfs und geopolitischer Unsicherheit. Wie die Weltraumforschung wird auch die Frage nach der Energiesicherheit die Zukunft maßgeblich beeinflussen. Wie also können europäische Unternehmen angesichts so vieler unbekannter Variablen planen? Genau hier setzt Shell mit den Energiesicherheits-Szenarien 2025 an:
Mögliche Szenarien zur Zukunft der Energiesicherheit
Seit über 50 Jahren nutzt Shell Szenarien, um mögliche Entwicklungen des Energiesystems zu analysieren. Die Energiesicherheits-Szenarien 2025 beruhen auf fundierten Modellierungen und Experteneinschätzungen. Sie berücksichtigen technologische, geopolitische und wirtschaftliche Veränderungen. Es handelt sich weder um Prognosen noch um Aussagen zur Geschäftsstrategie von Shell, sondern um ein Planungsinstrument für Führungskräfte und politische Entscheidungsträger.
Im Bericht „The 2025 Energy Security Scenarios: Energy and Artificial Intelligence“ untersucht Shell drei mögliche Zukunftsszenarien:
Surge
ein Szenario mit raschem Produktivitätswachstum, ermöglicht durch neue Technologien wie KI und wirtschaftlicher Expansion, mit stark steigendem Energiebedarf und dezentralen, technologiegetriebenen Systemen.
Archipelagos
eine fragmentierte Welt mit erhöhter geopolitischer Spannung und nationaler Selbstversorgung, einer langsameren, ungleichmäßigen Energiewende und dem Fokus auf Versorgungssicherheit.
Horizon
ein Szenario, in dem sich durch globale Kooperation und politischen Willen bis 2050 die Netto-NullEmissionen erreichen lassen und die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1,5°C (im Vergleich zum vorindustriellen Niveau) begrenzt wird.
Doch was bedeutet das konkret für die industriellen Sektoren Europas? Vier zentrale Energie-Trends können Unternehmen bei der strategischen Planung helfen:

Gas bleibt entscheidend
Während das Energiesystem zunehmend auf Erneuerbare ausgerichtet ist, bleiben Erdgas (damit auch LNG) und Biomethan essenziell, um den Energiebedarf zu decken – insbesondere für energieintensive Industrien. Im Gegensatz zu Kohle können mit Gas betriebene Kraftwerke schnell an- und abgeschaltet werden, was den Netzausgleich erleichtert. Diese Faktoren machen Gase als kohlenstoffärmere Alternativen für Kunden zu einer validen Lösung, um langfristig ihre Dekarbonisierungsziele zu erreichen – denn sie bieten flexible Energie in großem Umfang. In allen drei Szenarien von Shell zeichnet sich ein erheblicher Anstieg in der Nachfrage nach LNG in naher Zukunft ab, wobei die Nachfrage bis zum Ende des Jahrzehnts bei 550 Millionen Tonnen pro Jahr (mtpa) liegen könnte. Im Surge-Szenario könnte das LNG Angebot bis zu den 2040er Jahren 700 Mio. t/a erreichen.2
„LNG ist ein zentraler Baustein für die Energieversorgung in Deutschland, insbesondere nach dem Wegfall russischer Pipeline-Gaslieferungen und im Zuge des Kohleausstieg. Es stärkt zugleich die Resilienz und Versorgungssicherheit des Landes, indem es Zugang zu global diversifizierten Bezugsquellen ermöglicht."
Sonja Müller-Dib, Managing Director Shell Energy Germany
Die Shell Energiesicherheits-Szenarien 2025 zeigen zudem, dass auch der Einsatz von Biokraftstoffen weiter zunehmen dürfte. Derzeit machen Biokraftstoffe etwa 4 % des globalen Marktes für flüssige Kraftstoffe aus. Dieser Anteil könnte sich bis 2050 verdreifachen – vor allem dann, wenn sich die Umwandlungstechnologien konstant weiterentwickeln, wie es die Szenarien nahelegen.² Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) deuten ebenfalls darauf hin, dass die Nachfrage zwischen 2023 und 2028 auf 38 Milliarden Liter steigen wird, was einem Zuwachs von fast 30 % gegenüber den letzten beiden Fünfjahreszeiträumen entspricht.3
Langfristig könnte Erdgas eine wichtige und ergänzende Rolle im Energiemix spielen, indem es die Integration von volatilen erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne unterstützt und gleichzeitig die Energieresilienz stärkt. Der IEA zufolge war Erdgas im Jahr 2024 der am schnellsten wachsende fossile Energieträger. Die Nachfrage stieg um 2,7 % und erreichte damit einen neuen Höchststand.4 Im Jahr 2023 lag die Wachstumsrate noch bei 0,5 %. Aufgrund seiner Flexibilität und zuverlässigen Verfügbarkeit ist Erdgas ein wichtiger Faktor für die Energiewende, um Netzstabilität und Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Dezentralisierte Systeme und modulare Elektrifizierung steigern Effizienz
Durch die Fortschritte von digitalen Technologien und KI beschleunigt sich der Wandel weg von klassischen zentralisierten Energiesystemen.
Im Szenario Surge beispielsweise verdrängen modulare Systeme zunehmend groß angelegte fossile Infrastrukturen. So erschließt sich eine neue Dimension von Effizienz, Dezentralisierung und Dekarbonisierung. Bevorzugte eingespeiste erneuerbare Energiequellen, ergänzt durch Batteriespeicher im Netzmaßstab, führen zu widerstandsfähigeren und flexibleren Systemen.
Alle drei Szenarien gehen davon aus, dass Elektrifizierung eine zentrale Rolle spielt, um das globale Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen. Im Archipelagos-Szenario wächst die Stromnachfrage alle zehn Jahre um mehr als fünf Prozentpunkte (Anteil am Endenergiemarkt), in Surge und Horizon um zehn.2 Dies ist deutlich mehr als der bisherige Trend von etwa zwei Prozentpunkten pro Jahrzehnt.
Ebenso könnten großangelegte Solarprojekte auf nationaler oder regionaler Ebene eingeführt werden, wobei die Regierungen modulare Technologien aus lokaler Produktion bevorzugen könnten, um ihre Abhängigkeit von den volatilen globalen Märkten zu verringern.
„Unsere Kunden fordern zunehmend Energie aus zuverlässigen, flexiblen und nachvollziehbaren erneuerbaren Quellen. Dies sehen wir als einen Impuls für dezentrale, modulare Lösungen, die nicht nur Versorgungssicherheit bieten, sondern auch helfen, Dekarbonisierungsziele messbar zu erreichen.
Gerade durch die Nähe zur Erzeugung und die digitale Rückverfolgbarkeit ermöglichen solche Systeme, wie z. B. lokale Solaranlagen, Windparks oder Batteriespeicher, eine transparente und überprüfbare Nutzung erneuerbarer Energien. Das wiederum gibt unserem Ansatz, wie wir Energielösungen gestalten und bereitstellen, echten Auftrieb."
Sonja Müller-Dib, Managing Director Shell Energy Germany
Unabhängig vom Szenario kann die Entwicklung hin zur Modularität durch KI vorangetrieben werden – sei es in Form von verbesserten Produktionsprozessen oder der Optimierung miteinander verbundener, dezentraler Energiesysteme, die über verschiedene Regionen verteilt sind.

KI und Digitalisierung tragen dazu bei, Energiekosten zu kontrollieren
Shell geht davon aus, dass der globale Energiebedarf bis 2050 um 25 % steigen wird, und dass die CO2 Emissionen innerhalb des nächsten Jahrzehnts ihren Höhepunkt erreichen. Neue Technologien wie die künstliche Intelligenz dürften die Nachfrage weiter ankurbeln– aber zugleich eine Schlüsselrolle bei der Emissionssenkung spielen.
Der Einsatz von KI und intelligenter Automatisierung zeigt sich in allen drei Szenarien als möglicher Hebel für Industrieunternehmen, die ihre Energiekosten senken und ihre betriebliche Effizienz steigern wollen. Von KI wird erwartet, dass sie Produktionsprozesse optimiert, den Energiebedarf präziser prognostiziert und das Lastmanagement automatisiert – was die Flexibilität des Gesamtsystems erhöht, die Effizienz verbessert und Ressourcen schont.
Im Surge-Szenario gehen diese Fähigkeiten noch einen Schritt weiter. KI optimiert nicht nur Prozesse, sondern strukturiert auch die Energieverteilung in industriellen Systemen neu und stellt sicher, dass energieintensive Anlagen so kostenoptimiert und effizient wie möglich betrieben werden. Insbesondere im Horizon-Szenario, in dem strengere CO2 Preise und Emissionsvorgaben angesetzt werden, gewinnt Energieeffizienz an Bedeutung. In diesem Szenario sind Industrieunternehmen bestrebt, bestehende Anlagen nachzurüsten und in energiearme Systeme zu investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben und sich entsprechend der Regularien aufzustellen.
Diese Entwicklung zeigt sich bereits heute. So wurde beispielsweise mit Horizont Europa – einem Finanzierungsprogramm der Europäischen Kommission für Forschung und Innovation, das dazu beitragen soll, die UN Nachhaltigkeitsziele (UN SDGs) zu erreichen – ein Investitionsrahmen in Höhe von 95 Mrd. Euro geschaffen, der digitale Innovationen im Energiebereich vorantreibt.5
Auch Organisationen wie das Europäische Netz der Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO E) gehen davon aus, dass eine KI-gestützte Netzoptimierung die Übertragungsverluste um bis zu 15 % senken könnte.6 Solche Verbesserungen könnten einen wesentlichen Beitrag zu Europas umfassenden Zielen in Bezug auf Energieeffizienz und Kohlenstoffemissionen leisten.

Batteriespeicher und Eigenerzeugung erhöhen Resilienz und senken Kosten
Das Energiesystem könnte an einem Wendepunkt für erneuerbare Energien stehen. In allen drei Szenarien spielen erneuerbare Energien eine zentrale Rolle. Durch die beschleunigte Produktion von Komponenten und Anlagen für erneuerbare Energien wird die Erzeugung vor Ort für Unternehmen leichter zugänglich und kostengünstiger.
Investitionen in eigene erneuerbare Energieanlagen, insbesondere in Verbindung mit Batteriespeichern, können Unternehmen mehr Autonomie über ihre Energieversorgung geben. Dies trägt zum einen zu größerer Widerstandsfähigkeit gegenüber Versorgungs- und Preisschwankungen bei – und stellt damit einen entscheidenden Vorteil im geopolitisch komplexeren Archipelagos-Szenario dar. Zum anderen hilft eine solche Ausrichtung Unternehmen dabei, ihre CO2 Emissionen zu senken, mit künftigen regulatorischen Vorgaben Schritt zu halten und auf das Netto-Null-Ziel hinzuarbeiten.
Im Horizon-Szenario könnten Investitionen in Lösungen wie Wasserstoff und Batteriespeicher weiter zunehmen – nicht nur, um künftige Regulierungsvorgaben einzuhalten, sondern auch, um in einer auf Kohlenstoffbasierte Lösungen ausgerichteten Weltwirtschaft wettbewerbsfähig zu bleiben.
Das Surge-Szenario prognostiziert, dass die globale Batteriespeicherkapazität im Netz 30 Terawattstunden bis 2060 überschreiten wird – sinkende Kosten und KI-gestützte Fertigung machen es möglich. Die gleichen digitalen Produktionstechniken ermöglichen einen sprunghaften Anstieg der Photovoltaiknutzung, wobei die jährlichen Installationsraten bis Anfang der 2040er Jahre 1,2 TW unter Surge und 1,4 TW unter Horizon erreichen sollen – mehr als das Doppelte der Kapazität im Vergleich zu 2025.
Laut der Europäischen Investitionsbank prägt dieser Trend das europäische Energiesystem: Allein im Jahr 2023 investierten die Länder nahezu 11 Milliarden Euro in die Erzeugung erneuerbarer Energien.8
"Wir beobachten ein zunehmendes Kundeninteresse an Batteriespeicherlösungen und Flexibilitäten in Europa. Deshalb haben wir gezielt in strategische Kompetenzen investiert – etwa in Next Kraftwerke, einen der größten Betreiber virtueller Kraftwerke in Europa,. Zudem haben wir unseren Trading Desk neu aufgestellt, um die Optimierung und Integration flexibler Energieanlagen in den europäischen Märkten besser zu unterstützen."
Sonja Müller-Dib, Managing Director Shell Energy Germany
Fazit: Langfristige Planung als Schlüssel zur nachhaltigen Energiezukunft
Eines zeigt sich über alle drei Szenarios hinweg: Das Energiesystem von morgen wird sich gravierend verändern. Ob durch KI, geopolitische Fragmentierung oder Regulierung jedes Szenario birgt Chancen und Herausforderungen für die Industrien in Europa und weltweit.
Die Szenarien Surge, Archipelagos und Horizon können dazu beitragen, potenzielle Entwicklungen greifbar zu machen und bereits heute strategisch darauf zu reagieren.
Zwar suchen Europas Unternehmer und Entscheidungsträger nicht nach Leben auf fernen Monden aber ihre Aufgabe ist für die Zukunft auf diesem Planeten mindestens ebenso wichtig: Es gilt, Möglichkeiten zu finden, eine sichere Energieversorgung für künftige Generationen zu gewährleisten. Ebenso wie die ESA für die Mission zu den Jupiter-Monden langfristig planen musste, wird auch Europas Energiezukunft von einer klugen, langfristigen Planung profitieren.

Unsere Lösungen für Ihre Zukunft!
Erfahren Sie mehr darüber, wie wir bei Shell Energy Deutschland Unternehmen mit Lösungen für erneuerbare Energien und Gas sowie Zertifikatehandel dabei unterstützen, die Energieversorgung von morgen zu gestalten!
Quellen
1 The Planetary Society. Juice, exploring Jupiters icy moons. N.D.
2 Shell. “The 2025 Energy Security Scenarios. 2025.
3 IEA. IEA Renewables 2023 Biofuel and Biogas Forecasts. 2024.
4 IEA. Global Energy Review 2025. Global Trends. 2025.
5 IEA. Global gas demand set for stronger growth in 2024 despite heightened geopolitical uncertainty. 2024.
6 European Commission. Horizon Europe: The EU Research & Innovation Programme 2021-2027. 2021.
7 Future Market Insights. Climate Tech Market Outlook from 2025 to 2035. 2025.
8 European Investment Bank. Invested in renewables: The only way forward. 2024.