
Virtuelle Kraftwerke: Schlüsseltechnologie für Europas Energiesicherheit

Shell Energy
September 2024
Virtuelle Kraftwerke vernetzen dezentrale Einheiten, z.B. Stromproduzenten wie Windparks, Solaranlagen, Biogas- und Wasserkraftanlagen, Stromverbraucher oder auch Stromspeicher. Durch den Einsatz von Technologien wie IoT und KI können diese Kraftwerke flexibel auf Nachfrage- und Netzschwankungen reagieren und somit eine Schlüsselrolle in der Energieversorgung spielen.
Mit über 13.500 Megawatt vernetzter Leistung ist die Kölner Next Kraftwerke GmbH aus der Shell Gruppe bereits eines der größten virtuellen Kraftwerke Europas und trägt zu einer stabilen Stromversorgung in Europa bei.

Virtuelle Kraftwerke: Schlüsseltechnologie für Europas Energiesicherheit
Konventionelle Kraftwerke wie Kohle- oder Kernkraftwerke verlieren für den Energiemarkt immer mehr an Bedeutung. Sie werden von dezentralen Anlagen abgelöst, die Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind oder Solar gewinnen. Da die Einspeisung aus diesen Quellen stark variieren kann, müssen die Anlagen intelligent miteinander vernetzt werden: Diese Vernetzung und Steuerung übernehmen sogenannte virtuelle Kraftwerke, die eine wichtige Rolle dabei spielen, die Energieversorgung von morgen auf eine breite Basis zu stellen und die Netze stabil zu halten. In einem virtuellen Kraftwerk sind verschiedene, dezentrale Einheiten im Stromnetz durch digitale Technologien miteinander verbunden. Zu den Energiequellen können Biogas-, Windkraft-, Photovoltaik-, Kraft-Wärme-Kopplungs- oder Wasserkraftanlagen gehören. In das virtuelle Kraftwerk sind aber auch Stromverbraucher eingebunden, darunter flexible Lasten, die bei Bedarf hochgefahren werden (z.B. Kühlhäuser) oder gesenkt werden (z.B. industrielle Produktion) sowie Speicher und Power-to-X-Anlagen (Power- to-Gas, Power-to-Heat).
Schon heute sind einige virtuelle Kraftwerke in Betrieb. Eines der größten virtuellen Kraftwerke Europas ist das der Kölner Next Kraftwerke GmbH, die seit 2021 zur Shell Gruppe gehört. Das virtuelle Kraftwerk verfügt über rund 13.500 Megawatt vernetzte Leistung – das entspricht etwa der Leistung von elf mittleren Kernkraftwerken. Neben Stromerzeugern können virtuelle Kraftwerke auch Stromspeicher und flexible Lasten in das Zusammenspiel aus verschiedenen Anlagen einbeziehen und Systemdienstleistungen erbringen.

KI und Speichertechnologien: So funktioniert das virtuelle Kraftwerk
Virtuelle Kraftwerke bündeln den Strom von vielen kleinen Erzeugern und speisen ihn genau in der Menge ins Stromnetz ein, die vorher beim Stromverkauf vereinbart wurde. Das Leitsystem koordiniert die verschiedenen dezentralen Energieerzeuger, Speicher und Verbraucher im Stromnetz. Ein virtuelles Kraftwerk hat den Vorteil, dass so auch eine gemeinsame Vermarktung des Stroms möglich ist.
Das Leitsystem überwacht die einzelnen Anlagen in Echtzeit und empfängt kontinuierlich Daten von den angeschlossenen Einheiten, wie zum Beispiel den aktuellen Energieerzeugungs- und Verbrauchswerten, den Wetterbedingungen und den Strompreisen.
Technologien wie das Internet der Dinge (IoT), künstliche Intelligenz (KI) und moderne Speichertechnologien sorgen dafür, dass virtuelle Kraftwerke auf Verbrauch und Netzschwankungen flexibel reagieren können. Per IoT können die einzelnen Anlagen und Verbraucher miteinander kommunizieren und Daten in Echtzeit austauschen. KI-Algorithmen können vorhersagen, wie viel Energie in den nächsten Stunden oder Tagen benötigt wird und welche Energiequellen am besten genutzt werden sollten, um die Nachfrage zu decken. Dabei werden nicht nur die Kosten, sondern auch die Verfügbarkeit und Nachhaltigkeit der Energiequellen berücksichtigt.
Speichertechnologien sind eine wichtige Komponente im Verbund virtueller Kraftwerke. Sie ermöglichen es, überschüssige Energie, die zu Zeiten niedriger Nachfrage oder hoher Erzeugung anfällt, zu speichern und bei Bedarf wieder ins Netz einzuspeisen.

Vorteile von virtuellen Kraftwerken auf einen Blick
Virtuelle Kraftwerke bieten zahlreiche Vorteile, die maßgeblich zur Energiesicherheit in Europa beitragen. Da virtuelle Kraftwerke verschiedene erneuerbare Energien einbinden, entsteht ein vielfältiger Energiemix. Dezentrale steuerbare Erzeuger wie Biogasanlagen können in einem virtuellen Kraftwerk optimal genutzt werden, indem sie ihre Erzeugung flexibel an den Bedarf anpassen. So wird die Nutzung erneuerbarer Energien gefördert und das Energiesystem ist insgesamt effizienter.
Weitere Vorteile: eine geringere Abhängigkeit von einzelnen Energiequellen und ein resilienteres Energiesystem, das Ausfälle und Schwankungen einzelner Stromquellen ausgleichen kann. Wenn beispielsweise Windkraftanlagen weniger Strom erzeugen, können andere Anlagen oder Speicher einspringen, um die Nachfrage zu decken.
Erfolgreich vernetzt: Next Kraftwerke in Deutschland
Im Next Pool sind die dezentralen Stromerzeuger und -verbraucher über eine Plattform vernetzt – darunter Windparks, Solaranlagen, Biogasanlagen und Wasserkraftanlagen – und somit über das eigens entwickelte Leitsystem steuerbar. Durch die kontinuierliche Überwachung und Optimierung der Energieerzeugung und -verteilung kann das virtuelle Kraftwerk schnell auf Änderungen in der Nachfrage oder auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren. Das Unternehmen trägt mit der vernetzten Erzeugungsleistung dazu bei, Schwankungen im Netz zu minimieren und eine zuverlässige Energieversorgung sicherzustellen.
Der Strommarkt ist der Schlüssel für die Energiewende. Shell trägt dazu bei: mit dem virtuellen Kraftwerk von Next und unserem Angebot von Strom aus erneuerbaren Energien für Industriepartner. Auch im Bereich Speichertechnologien treiben wir Innovationen voran – ein Beispiel ist der Hightech-Batteriespeicher der Firma sonnen.

Zukünftige Entwicklungen und Trends im Bereich virtueller Kraftwerke
Trotz der Vorteile stehen virtuelle Kraftwerke vor Herausforderungen. Angesichts der wachsenden Anzahl dezentraler Energieerzeuger und -verbraucher muss das zentrale Leitsystem in der Lage sein, immer größere Datenmengen in Echtzeit zu verarbeiten und zu analysieren. Die Kommunikations- und Steuerungssysteme müssen perspektivisch weiterentwickelt werden. Neben der nächsten Generation von IoT- und KI-Technologie könnte dabei auch Edge-Computing eine Rolle spielen. Edge-Computing ermöglicht die Verarbeitung von Daten direkt an den Erzeugungs- und Verbrauchsstandorten, wodurch die Belastung des zentralen Systems reduziert und die Reaktionszeiten verkürzt werden.
Künftige Projekte werden sich auch an ihrer Rentabilität messen lassen müssen. Hinzu kommt, dass in einer generell angespannten wirtschaftlichen Situation auch die Finanzierungssicherheit geklärt sein muss. Der Aufbau und Betrieb der notwendigen Infrastruktur, einschließlich Speichertechnologien, erfordert erhebliche Investitionen. Hier können innovative Geschäftsmodelle und Förderprogramme eine wichtige Rolle spielen. Beispielsweise können Betreiber virtueller Kraftwerke durch die Bereitstellung von Netzdienstleistungen zusätzliche Einnahmen erzielen, indem sie Flexibilitätsoptionen für Netzbetreiber anbieten.
Sonja Mueller-Dib (Geschäftsführerin, Shell Energy Deutschland): „Insbesondere für das Großkundengeschäft dürften virtuelle Kraftwerke in Zukunft zunehmend interessant sein. Vor allem das Geschäft mit sogenannten Power Purchase Agreements (PPA) profitiert durch flexible Produkte, die Versorgungssicherheit gewährleisten, da Risiken mit Blick auf Preis- und Mengenschwankungen reduziert werden.“
Herausforderungen und Lösungsansätze: Kooperation und Innovation als Schlüssel
Mit entsprechenden Rahmenbedingungen könnten virtuelle Kraftwerke in Zukunft noch einfacher betrieben und koordiniert werden. Eine wichtige Rolle spielen dabei standardisierte Protokolle und Schnittstellen für die Kommunikation zwischen den verschiedenen Systemen. Reallabore, sogenannte „Regulatory Sandboxes“, erlauben es, innovative Projekte und Technologien unter realen Bedingungen zu testen, praktische Erfahrungen zu sammeln, regulatorische Hürden frühzeitig zu identifizieren und den Rechtsrahmen – auch auf europäischer Ebene – gegebenenfalls entsprechend anzupassen.
Um das volle Potenzial virtueller Kraftwerke auszuschöpfen, gilt es, IoT- und KI-Technologien weiterzuentwickeln. Politik und Wirtschaft müssen an einem Strang ziehen – um klare regulatorische Rahmenbedingungen zu schaffen. Wichtig für Speicher ist hier z.B. Eine diskriminierungsfreie Teilnahmemöglichkeit am Kapazitätsmarkt oder an Regelungen wie Nutzen-statt-Abregeln. Letztlich sind alle Akteure des Strommarkts - egal ob Wirtschaft, Politik oder Wissenschaft - gefragt, enger zusammenzuarbeiten, um innovative Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.