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Wasserstoff Tanks stehen im Grünen

Von Erdgas zu Wasserstoff – wie kann die Transformation gelingen?

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Shell Energy
November 2022

Das Ziel, dem Klimawandel entgegenzuwirken und die Abhängigkeit von fossilen Energien zu verringern, sorgt auch in Industrie und Kommunen für einen Wandel. Auf dem Weg weg vom bisherigen Hauptenergieträger Erdgas scheint Wasserstoff eine vielversprechende Alternative zu sein, um auch in diesen, schwer zu dekarbonisierenden Bereichen mehr Nachhaltigkeit zu etablieren. Doch wo stehen wir bei dieser Entwicklung und was muss passieren, um Wasserstoff als Energieträger tatsächlich zum Durchbruch zu verhelfen?  Ein paar Fragen und Antworten zum Thema.

Weg vom Erdgas, hin zu Wasserstoff: Geht’s so einfach ohne fossiles Gas?

„Erdgas ist und bleibt auf lange Sicht ein wichtiger Energieträger – wie wichtig, wird vielen Menschen erst aktuell bewusst. Zwar wurde laut BDEW im ersten Halbjahr 2022 mit 497 TWh 14,7 Prozent weniger Erdgas verbraucht als im Vorjahreszeitraum, aber mit der schwankenden Verfügbarkeit von Solar- und Windkraft als stetig wachsender Teil des Energiemixes, kommt Erdgas auch eine wichtige stabilisierende Rolle zu. 
Vielen wird jetzt erst klar, in wie vielen Sektoren Gas eine bedeutende Rolle spielt: sei es in der Stromproduktion, im Wärmebereich, in der Chemie- oder Schwerindustrie sowie auch zunehmend im Transport, weil etwa LNG bereits heute eine ausgereifte und marktfähige Technologie bietet, die im Schwerlastverkehr und im Schiffsbereich signifikante Vorteile gegenüber Diesel und Schweröl hat.

Viele Prozesse können auch nicht einfach elektrifiziert werden. Wir sprechen daher von schwer zu dekarbonisierenden Sektoren wie etwa der Zement- und Stahlproduktion, wo sehr hohe Prozesstemperaturen benötigt werden. Auch in der Chemieindustrie ist Gas nicht wegzudenken. Shell ist dank eines umfassenden Gas- und LNG-Portfolios gut aufgestellt, um die Versorgung zu gewährleisten.

Aber wenn wir in die Zukunft schauen, wird neben fossilem und grünem Erdgas vor allem Wasserstoff eine sehr wichtige Rolle spielen – insbesondere dort, wo eben nicht direkt elektrifiziert werden kann.

Wie schnell kann es mit dem Wasserstoff denn gehen?

Tatsache ist erstmal, dass Erdgas unter den fossilen Energieträgern der CO2-ärmste ist und daher als Partner der Erneuerbaren und Brücke in eine rein erneuerbare Energiewelt dienen kann. 

Aber langfristig müssen wir auch vom Erdgas soweit es geht weg, um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten. Durch die aktuelle Weltlage und politischen Regularien wird nicht nur in Deutschland damit begonnen, die Energieabhängigkeit so schnell wie möglich zu verringern und gleichzeitig die Klimaneutralitätsziele für 2030 und 2045 (DE) bzw. 2050 (EU) beizubehalten. Das ist auch ein Ziel, das Shell verfolgt.

Wir unterstützen die energiepolitischen Ziele der EU und begrüßen den von der Europäischen Kommission verabschiedeten RePower-EU-Plan: Energiesparen, Diversifizierung der Energieversorgung und Beschleunigung der Energiewende sind die besten Hebel, um die Energiesicherheit zu stärken.

Dekarbonisierte und CO2-ärmere Gase – einschließlich dekarbonisiertem Wasserstoff und Biogas – werden für die Erreichung von Netto-Null Emissionen immer wichtiger. Während Fortschritte erzielt werden, wissen wir, dass mehr getan werden muss, um die technologischen und Marktentwicklungen zu beschleunigen. 

Gemäß der Folgenabschätzung des EU-Klimazielplans 2030 wird Erdgas im Jahr 2030 einen Anteil von 22 % am Bruttoinlandsenergieverbrauch der EU und im Jahr 2050 von 25 % ausmachen (was die Verdrängung von Kohle und Öl durch Gas widerspiegelt). Erdgas spielt weiterhin eine Rolle bei der Stromerzeugung und wird sowohl in den Jahren 2030 als auch 2050 für 15 % der Stromerzeugung verantwortlich sein. Die Nachfrage nach erneuerbaren und CO2-ärmeren Gasen wird voraussichtlich mehr als doppelt so hoch sein wie die Nachfrage nach Erdgas.

Shell unterstützt den Plan der Europäischen Kommission, die Produktion von CO2-armem Wasserstoff und Biomethan zu beschleunigen. Klare Ziele, stabile Rechtsvorschriften, vereinfachte und kürzere Genehmigungszeiten sowie starke Anreize werden dazu beitragen, CO2-armen Wasserstoff und Biomethan kommerziell attraktiv zu machen. CO2-arme und klimaneutrale Technologien wie CO2-Abscheidung und -speicherung sowie die Industrieproduktion von z. B. Stahl oder Asphalt auf Wasserstoffbasis sind notwendig, um die europäische Industrie klimaneutral zu machen.

Kurzum: Gas muss grün werden – also hin zu Biogas, Biomethan und vor allem Wasserstoff, der nach Möglichkeit grün sein soll. Während blauer Wasserstoff zwar nicht die erste Wahl ist, so wird er vermutlich doch für den Hochlauf einer Wasserstoff-Ökonomie gebraucht werden, um Wettbewerbsfähigkeit zu ermöglichen.

Bis 2030 wollen wir in Deutschland führend bei grünem Wasserstoff werden und weltweit einen zweistelligen Marktanteil am Umsatz mit dekarbonisiertem Wasserstoff erreichen. Dass wir es damit sehr ernst meinen, zeigt sich darin, dass wir im Energy and Chemicals Park bereits voriges Jahr mit 10 MW Kapazität den bis dato größtem PEM-Elektrolyseur für grünen Wasserstoff in Europa in Betrieb genommen haben. 

Zudem haben wir vor wenigen Wochen die finale Investitionsentscheidung für den Bau von Holland Hydrogen I getroffen, die mit 200 MW Europas größte Anlage für grünen Wasserstoff sein wird, wenn sie 2025 den Betrieb aufnimmt. Außerdem haben wir bereits weitere Projekte in der Pipeline, zu denen beispielsweise auch ein 100 MW Elektrolyseur in Hamburg-Moorburg gehören könnte.

Auch Biogas einschließlich Biomethan könnte nach IEA-Szenarien schnell wachsen. Es ist ein einfacherer Ersatz für Erdgas als Wasserstoff und könnte mittel- bis langfristig eine wertvolle Rolle spielen. Bis 2030 erwarten wir, unsere bestehende Position im Biomethan durch den Bau von Anlagen in Europa und den USA auszubauen. 

Photovoltaik Anlage im Sonnenuntergang

Warum sollten Industrie und Kommunen auf grüne Gase umstellen?

Auch unsere Kunden – seien es Stadtwerke oder Industrie – haben CO2-Reduktionsziele und sehen die Notwendigkeit oder verspüren den Druck, ihren CO2-Fußabdruck zu verkleinern. 
Letztlich sind wir alle aufgerufen, daran mitzuwirken, als Land und als Ökonomie das deutsche Ziel zu erreichen, bis 2045 klimaneutral zu sein. Wir sehen also, dass sich die Nachfrage entwickelt. Auch die aktuelle Lage zeigt, dass erneuerbare Energiequellen wie Strom aus Solar- und Windkraft für eine Energieversorgung unabdingbar sein werden. Vor diesem Hintergrund und angesichts des Klimawandels ist Shell die Beschleunigung unsere Netto-Null-Emissions-Strategie ein besonders wichtiges Anliegen. Diese wollen wir zusammen mit unseren Kunden vorantreiben, denn nur gemeinsam können wir die Energiewende meistern.

Shell ist integrierter Anbieter für Energielösungen,die bei der Dekarbonisierung von Unternehmen, Industrie und Kommunen unterstützen. Dazu stellen wir getreu unserer Strategie „Powering Progress“ mehr und sauberere Energielösungen bereit. Ein großer Teil unserer Strategie beruht auf dem Ausbau unseres Stromgeschäfts: In diesem Bereich wollen wir signifikant wachsen. Schon heute bieten wir neben Geschäftskunden auch Privathaushalten grünen Strom an. Mit den Akquisitionen von sonnen, einem wachstumsstarken Heimspeicher-Hersteller aus Wildpoltsried, und NextKraftwerke aus Köln, einem der größten Betreiber virtueller Kraftwerke in Europa, treiben wir die Vernetzung dezentraler regenerativer Stromzeugung voran. 

Für Shell in Deutschland mag das relativ neu klingen. Tatsache ist aber, dass Shell global in mehr als 20 Ländern bereits über 20 Jahre Erfahrung mit Offshore-Windkraft und Stromhandel hat. Bereits heute haben wir 7 Gigawatt (GW) erneuerbare Erzeugungskapazität in Betrieb, im Bau oder in Vermarktung. Zahlreiche Projekte für den Ausbau erneuerbarer Energien um weitere 38 GW befinden sich weltweit in der Planung. Dass wir uns daher an Ausschreibungen für Offshore-Wind-Flächen in Deutschland beteiligen, liegt auf der Hand. Auch Energiespeicher-Lösungen werden an Bedeutung gewinnen, um grünen Strom für den Zeitpunkt des Verbrauchs bereit zu haben. Unser Shell Tochterunternehmen sonnen bietet mit der sonnenBatterie eine bewährte Lösung zum Speichern selbsterzeugter Energie. Das ist nicht nur etwas für Privathaushalte - auch für Industrie und kommunale Partner bieten wir individuelle Lösungen in größerem Maßstab an.

Flaschenhals sind momentan vor allem Verfügbarkeit und Gestehungskosten dieser Alternativen – vor allem von ausreichend grünem Strom als Basis. Da braucht es ein Zusammenspiel der Kräfte aus Politik und Wirtschaft, um das in den Griff zu bekommen. Gerade am Beispiel Wasserstoff zeigt sich das sehr deutlich.

Was braucht es, damit es richtig losgehen kann?

Es hat schon seinen Grund, warum Wasserstoff in aller Munde ist: Wasserstoff hat gemessen am Gewicht eine hohe Energiedichte. Das bedeutet, dass er bei der Verbrennung mehr Energie freisetzt als ähnliche Mengen anderer Brennstoffe und das ohne Emissionen. Damit eignet er sich besonders für schwer zu elektrifizierende Branchen wie Schwerlastverkehr, Schwerindustrie, Marine und Luftfahrt.

Heute wird der meiste Wasserstoff mit Erdgas hergestellt. Dekarbonisierter Wasserstoff kann durch Abscheidung der CO2-Emissionen aus dieser Produktion mit Carbon Capture and Storage (CCS) – landläufig als blauer Wasserstoff bezeichnet - hergestellt werden. Grüner Wasserstoff kann mit einem Elektrolyseur hergestellt werden, der über erneuerbare Energiequellen wie Wind oder Sonne betrieben wird.

Um eine schnelle, erschwingliche Ausweitung der Produktion dekarbonisierten Wasserstoffs zu erreichen, bedarf es der Unterstützung der Regierungen, damit Wasserstoff mit bestehenden Energieträgern konkurrieren kann. 

In der Zwischenzeit ist eine Koordinierung zwischen öffentlichen und privaten Organisationen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene erforderlich, um sicherzustellen, dass Angebot und Nachfrage nach dekarbonisiertem Wasserstoff zusammenwachsen – neben unterstützender Infrastruktur wie Wasserstoffpipelines für den Transport, CCS-Technologien und Produktionsanlagen.

Dazu sollten mindestens fünf Dinge zusammenkommen:

  1. Entwicklung von Wasserstoffstrategien mit klaren langfristigen Zielen und kurz- und mittelfristigen Meilensteinen. 
    Beispiel: EU-Wasserstoffstrategie mit dem Ziel, bis 2024 mindestens 6 GW erneuerbare Wasserstoffelektrolyseure in der EU und bis 2030 40 GW zu installieren & Deutsche Wasserstoffstrategie & Niederländisches Klimagesetz
  2. Terminologiestandards für die dekarbonisierten Wasserstoffproduktionswege zusammen mit einer Methodik zur Berechnung der Lebenszyklus-Treibhausgasemissionen und der damit verbundenen Zertifizierung. 
    Beispiel: EU-Taxonomie, für nachhaltige Anlagen & WBCSD-Taxonomiebericht
  3. Stimulierung der Nachfrage nach dekarbonisiertem Wasserstoff in Schlüsselsektoren (z. B. Schwerlastverkehr und Industrie), einschließlich der CO2-Bepreisung in Kombination mit Zielvorgaben. Darüber hinaus können spezifische Mechanismen wie Carbon Contracts for Difference (CCfD) Investitionen in die Herstellung CO2-armer Materialien/Chemikalien/ Kraftstoffe unter Verwendung von dekarbonisiertem Wasserstoff (z. B. dekarbonisiertem Stahl) erleichtern. 
    Beispiel: Fit for 55-Vorschlag für eine EU-CCfD im Rahmen des Innovationsfonds
  4. Spezifische Unterstützungsmechanismen, einschließlich erhöhter öffentlicher Mittel für Projekte und Besteuerung, die zur Verringerung der Kostenlücke beitragen, Maßnahmen zur Erhöhung der Durchdringung von Strom aus erneuerbaren Quellen und starke Forschungs- und Innovationsunterstützung. 
    Beispiel: Staatliche Subventionen für Projekte wie die geplante Elektrolyse in Moorburg.
  5. Unterstützung bei der Infrastrukturplanung, -investition und Entwicklung eines Marktdesignrahmens, der die Voraussetzungen für einen Wasserstoffmarkt schafft.
    Beispiel: Internationale Partnerschaft für Wasserstoff und Brennstoffzellen in der Wirtschaft (IPHE)

Wir sehen, Wasserstoff bietet großes Potenzial, um in schwer zu dekarbonisierenden Bereichen den entscheidenden Schritt gehen zu können. Gerade die Marktaktivierung von grünem Wasserstoff könnte im nächsten Schritt sogar den Umstieg auf einen CO2-freien Energieträger ermöglichen, bedarf jedoch der entsprechenden Rahmenbedingungen. 

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